Familie: Onagraceae

Gattung Oenothera L. ‒ Nachtkerze

Die Auffassungen zur Taxonomie der in Europa vorkommenden Oenothera-Arten weichen erheblich voneinander ab. O. Renner und vor allem K. Rostański verfolgten den Ansatz, alle regelmäßig vorkommenden Merkmalskombinationen als Arten zu beschreiben, wogegen Raven & al. (1980) und Dietrich & al. (1997) analog zur Bearbeitung der Gattung in Nordamerika weiter gefasste Arten bevorzugen. Im Folgenden werden die Sippen des Rostański-Konzeptes angeführt, wobei auch deren Stellung im Dietrich-Raven-System dargestellt wird. Letzteres System wird von der hessischen Florenliste (Buttler & Schippmann 1993, Hemm & al. 2008) verwendet. Um bei Bestimmungen Eindeutigkeit herzustellen, sollte das verwendete System aufgeführt werden.
Oenothera-Sippen werden in Hessen kaum beachtet, obwohl Südhessen wahrscheinlich zu den deutschen Häufigkeitszentren der Gattung gehört. Dank der Besuche und Herbarrevisionen zweier Spezialisten, des Polen Krzysztof Rostański und des Ukrainers Valery Tokhtar, bestehen aber Grundkenntnisse zur Sippenausstattung. Die Verbreitung der seltenen Arten und deren Status sind aber in vielen Fällen unklar. Mit dem Vorkommen weiterer Sippen ist zu rechnen. Literaturangaben wie von Seibig nach Hemm & Mühlenhoff (1985) zu Oenothera parviflora oder Oenothera syrticola lassen sich ohne Belege nicht sicher zuordnen.
Eine Übersicht über von K. Rosta?ski bestimmte Oenothera-Belege aus der Pfalz (Lang 2016) enthält mit Oenothera depressa, Oe. oehlkersii, Oe. punctulata, Oe. villosa und Oe. wratislaviensis bisher nicht für Hessen genannte Sippen aus der pfälzischen Rheinebene.

Artschlüssel

1

Fruchtknoten dicht bedeckt mit weißlichen, anliegenden Haaren

Oe. canovirens

Fruchtknoten nicht dicht bedeckt mit weißlichen, anliegenden Haaren

2




2

Früchte mit auffällig geflügelten Kanten

Oe. macrocarpa

Früchte ungeflügelt

3




3

Kelchzipfel der Knospen in ihrem unteren Teil aneinandergedrückt, im oberen Teil können diese spreizen; Blütenstand auch vor dem Blühen aufrecht; Kronblätter meist > 20 mm lang

4

Kelchzipfel der Knospe schon in ihrem unteren Teil voneinander entfernt stehend (die Kelchzipfel sind stärker von der Spitze des Kelchblattes entfernt und stehen aufrecht, nicht spreizend); Blütenstand vor dem Blühen teilweise nickend; Kronblätter meist < 20 mm lang

15




4

Stängel nicht rot getupft

5

Stängel rot getupft

8




5

Kronblätter 30‒50 mm lang; Narben überragen die Staubbeutel

Oe. oehlkersii

Kronblätter bis 35 mm lang; Narben zwischen den Staubbeuteln

6




6

Blätter eilanzettlich mit weißem Mittelnerv (vollbesonnte Blätter)

Oe. suaveolens

Blätter elliptisch mit rötlichem Mittelnerv (vollbesonnte Blätter)

7




7

Kronblätter 25‒35 mm lang und 22‒35 mm breit

Oe. biennis

Kronblätter 12‒20 mm lang und 15‒18 mm breit

Oe. casimiri




8 (4)

Kronblätter 40‒50 mm lang

Oe. glazioviana

Kronblätter bis 30 mm lang

9




9

Stängelblätter meist wellig; Knospen rotüberlaufen (teilweise stark) und kürzer als bei Oe. glazioviana

Oe. fallax

Stängelblätter glatt; Knospen grün (außer Oe. drawertii)

10




10

Junge Blütenstandsachse im oberen Teil deutlich rot überlaufen

11

Junge Blütenstandsachse im oberen Teil nicht rot überlaufen

14




11

Stängel kräftig tiefrot bis lila gefärbt

Oe. ersteinensis

Stängel höchstens rot überlaufen

12




12

Kronblätter länger als breit

Oe. rubricaulis

Kronblätter so lang wie breit

13




13

Blütenknospen grün; Kronblätter 10‒18 mm lang

Oe. acutifolia

Blütenknospen rot gestreift; Kronblätter 18‒25 mm lang

Oe. drawertii




14 (10)

Kronblätter 12‒20 mm lang

Oe. pycnocarpa

Kronblätter 5‒12 mm lang

Oe. royfraseri




15 (3)

Blütenstand vor dem Blühen nickend; Stängel unter dem Blütenstand rot getupft; Fruchtknoten anliegend behaart

Oe. oakesiana

Blütenstand vor dem Blühen aufrecht; Stängel unter dem Blütenstand nicht rot getupft; Fruchtknoten anders behaart

16




16

Blütenstandsachse rot getupft; Blätter fast ganzrandig; Blütenknospen im oberen Bereich rot; Kelchzipfel etwa 6 mm lang

Oe. angustissima

Blütenstandsachse grün, höchstens schwach getupft; Blätter buchtig gezähnt; Blütenknospen grün, höchstens braunrot überlaufen; Kelchzipfel 2‒5 mm lang

17




17

Kelchzipfel an braunrot überlaufenen Knospen U-förmig stehend, bis 3 mm lang

Oe. parviflora

Kelchzipfel an grünen Knospen V-förmig spreizend, bis 2‒5 mm lang

18




18

Stängel unten dunkelrot; Kelchzipfel bis 5 mm lang

Oe. subterminalis

Stängel unten grün oder rötlich überlaufen; Kelchzipfel bis 3 mm lang

Oe. issleri


Ein auf dem Artkonzept von Dietrich & al. (1997) beruhender Schlüssel wurde von Buttler (1998) publiziert. Der hier vorgelegte Schlüssel berücksichtigt die eng gefassten Arten des Rostański-Konzeptes, nicht aber Hybriden. Die Bestimmung von Nachtkerzen erfordert neben dem Notieren von Färbungs- und Größenmerkmalen im Gelände auch wie bei vielen schwierigen Gruppen eine gewisse Erfahrung mit der Gruppe. Viele Merkmale sind an Herbarbelegen schwer zu beurteilen. Daher sollten Herbarbelegen Notizen zu Kelchblattfärbung, zur Stängelfärbung und -punktierung beigefügt sein. Die Kronenblattgrößen variieren im Verlauf der Blühphase stark, insbesondere spätblühende Individuen bilden oft kleinere Kronblätter aus als im Schlüssel angegeben. Es hat sich bewährt, einige gut entwickelte Kronblätter separat zu pressen und dem Herbarbeleg beizufügen. Die genannten Sippen sind schlecht stabilisiert, und trotz weitgehender Selbstbestäubung bilden sich häufig Hybriden. Diese stehen auf Grund der eigenartigen Meiose ? Chromosomenkomplexe werden konstant über die Pollen oder Eizellen vererbt, Letalfaktoren verhindern Homozygotie, zudem Plastidenvererbung ? morphologisch nicht zwischen den Eltern und bilden ungleichartige Paare. Neben den verschlüsselten Arten sind aus Deutschland viele weitere Arten bekannt, die teilweise auch in Hessen zu erwarten sind.
Nach Rostański & Schnedler (1992) und nach von K. Rostański im Senckenberg-Herbarium revidierten Belegen kommen folgende Hybriden in Hessen vor: Oenothera biennis × fallax, Oenothera biennis × issleri, Oenothera biennis × pycnocarpa (= Oe. schnedleri ined.), Oenothera biennis × royfraseri, Oenothera biennis × rubricuspis, Oenothera biennis × suaveolens, Oenothera biennis × subterminalis, Oenothera fallax × pycnocarpa (= Oe. hassiaca ined.) und Oenothera fallax × suaveolens

 sensu Rostański

 sensu Dietrich & al.

 Oe. acutifolia
 Oe. biennis
 Oe. casimiri
 Oe. ersteinensis
 Oe. flaemingina
 Oe. pycnocarpa
 Oe. royfraseri
 Oe. rubricaulis
 Oe. schnedleri nom. prov.
 Oe. suaveolens
 Oe. victorinii

 Oenothera biennis s.l.

 Oe. braunii

 Oenothera braunii s. l.

 Oe. glazioviana s. str.

 Oenothera glazioviana s. l.

 Oe. oakesiana s. str.

 Oenothera oakesiana s. l.

 Oe. angustissima
 Oe. parviflora
 Oe. subterminalis

 Oenothera parviflora s.l.

 Oe. canovirens

 Oenothera villosa s. l.

 Oe. fallax
 Oe. hassiaca nom. prov.
 Oe. oehlkersii

 Oenothera biennis × glazioviana

 Oe. issleri

 Oenothera biennis × oakesiana

 Oe. drawertii

 Oenothera biennis × villosa s. l.





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