Gottfried Ludwig Theobald

* 21. Dezember 1810 Allendorf a.d. Landsburg
† 15. September 1869 Chur

von Sylvain Hodvina

Gottfried Theobald

Gottfried Ludwig Theobald wurde als 1. von 5 Kindern des evangelischen Pfarrers Adam Theobald (* 18. September 1779 Louisendorf, † 27. Juni 1844 Hochstadt) und dessen Ehefrau Sophie Friederike Mannel (* 13. Juli 1783 Hilmes, † 19. März 1833 Hochstadt) am 21. Dezember 1810 in Allendorf a.d. Landsburg [Schwalmstadt] geboren. Hier war sein Vater seit 1809 Adjunkt [Amtsgehilfe] seines Schwiegervaters, dann von 1814 bis 1819 Pfarrer in Niederrodenbach und danach bis zu seinem Tode Pfarrer in Hochstadt. Seine Geschwister waren Friederika Maria Christina Adamina (1812‒18xx), Anna Katharina Wilhelmina (1815‒1875), Adam Heinrich (1817‒1849) und Heinrich Ernst Konstantin Julius Martin (1820‒1824).

Nach der in Allendorf und Niederrodenbach verbrachten Jugend besucht er von 1824 bis 1827 das Gymnasium Hanau. Im Jahre 1827 immatrikuliert er sich in Marburg (Theologie) und 1830 folgt nach einem kurzen krankheitsbedingten Aufenthalt in Hochstadt die Immatrikulation in Halle, wo er bis 1832 bleibt. Anschließend arbeitet er in Hanau als Lehrer und Hilfsprediger. Da ihn die Theologie nicht befriedigte, wandte er sich von ihr ab und beschäftigte sich stattdessen mit der Natur; dazu legte er eine umfangreiche Sammlung von Pflanzen, Tieren und Gesteinen aus seinem Arbeitsgebiet, der Wetterau, an. Ende August 1837 wird er Mitglied der Wetterauischen Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau. Da die Tätigkeit als Privatlehrer keine Zukunft bot, nahm er ein Angebot als Deutschlehrer in Montpellier zu arbeiten im Juni 1839 an, wo er mehrere Jahre verbrachte und seine geologischen und biologischen Forschungen vertiefen konnte. Nach vier Jahren kehrte er im Sommer 1843 nach Hanau zurück, da er eine Stelle als Lehrer für Naturgeschichte und Geographie an der neuen Realschule angeboten bekommen hatte. Neben seinem Schuldienst erforschte er weiterhin die Wetterau. Nach Angaben seines Biographen (Szadrowsky) scheute er sich nicht, sich als „Kunstgärtner“ zu betätigen und diverse Ansalbungen vorzunehmen. Seine botanischen Studien in der Wetterau finden ihren Niederschlag in mehreren Veröffentlichungen: Phanerogamen (mit J. H. Cassebeer 1847‒1849), Algen (1854) und Flechten (1858).

Schon während seiner Studienzeit hatte sich Gottfried Theobald Burschenschaften angeschlossen und seinen liberalen Vorstellungen entsprechend beteiligte er sich auch an der Revolution 1848. Im April 1848 erfolgte seine Wahl in den Volksrat als Deputierter (Liberale) für die landständische Kammer in Kassel. Am 5. Juni 1849 wird er erneut Abgeordneter im kurhessischen Landtag. Nach der Wiederherstellung der vorrevolutionären Verhältnisse 1850 begann die Unterdrückung der Opposition und Gottfried Theobald wurde aus dem Lehreramt entfernt und in einstweiligen Ruhestand versetzt. Wegen befürchteter Verfolgung verließ er am 14. Juni 1852 Hanau für immer; danach wurde er wegen Landesflucht steckbrieflich gesucht (sowie im Februar 1854 in Abwesenheit durch das Disciplinargericht in Kassel zur Dienstentlassung mit Verlust des Diensteinkommens verurteilt).

Handschrift Gottfried Theobald, Beleg aus WIESGottfried Theobald ging nach seiner Flucht zunächst nach Genf ins Asyl und konnte dort als Lehrer für naturhistorischen Unterricht in Châtelaine arbeiten. Im Dezember 1852 wurde er auch zum Prediger der deutsch-protestantischen Gemeinde gewählt, war jedoch wegen seiner liberalen Einstellung und seiner naturwissenschaftlichen Interessen Konflikten mit der Gemeinde ausgesetzt. Durch Fürsprache konnte er am 17. März 1854 eine Stelle als Lehrer (Professor) für naturwissenschaftliche Fächer an der Kantonsschule Chur in Graubünden antreten. In Chur wird er am 7. November 1865 Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens und bereits am 6. November 1855 deren Sekretär und schließlich ab 2. November 1859 bis zum Tod deren Vizepräsident.

1860 heiratet Gottfried Theobald in Bern die Elisabeth Kohler (* 15. Februar 1838 Sumiswald [Emmental, Ct. Bern], † 21. August 1891 Chur), Tochter des Isaak Kohler und der Elisabeth Pfister. Aus der Ehe gehen die beiden Kinder Anna (1862‒1915) und Emil (1867‒1881) hervor. Am 30. Mai 1864 erhält Gottfried Theobald das Ortsbürgerrecht der Gemeinde Scanfs [heute S-chanf] und am 14. Juni 1864 auch das Bürgerrecht des Kantons Graubünden.

Seit seiner Ankunft in Chur beschäftigt sich Gottfried Theobald ‒ wie schon in der Wetterau ‒ mit der Geologie, Botanik, Zoologie und Meteorologie seiner Umgebung, wird zum profunden Kenner und verfaßt mehr als 100 Schriften. Mehrere Berufungen nach München und Frankfurt lehnt er ab, seiner neuen Heimat zuliebe. Im Frühjahr 1866 erkrankt er an Typhus, seit 1867 plagt ihn Rheuma. Am 15. September 1869 ist er in Chur an Urämie gestorben und am 18. September begraben worden.

Das botanische Autorenkürzel lautet „Theob.“.

Sein Herbarium befindet sich in CHUR, weitere Belege in B (zerstört), FR (Moose), G, HBG, KIEL, M (Flechten), WIES, WRSL.
In WIES sind vorhanden Phanerogamenbelege aus der Wetterau, Südfrankreich und Graubünden sowie zahlreiche Flechtenbelege aus der Wetterau und Graubünden.

Von Theobald beschriebene Pflanzen:
Lehmanna Casseb. & Theob. 1849 Fl. Wetterau 2, 32.
Lehmanna ciliata Casseb. & Theob. 1849 Fl. Wetterau 2, 32.
Achillea atrato-nano Theob. in Killias 1860 Jahresber. Naturf. Ges. Graubündens N.F. 5, 74.
Carex gilva Cassebeer & Theobald 1849 Fl. Wetterau 240
Gagea minimo-liottardi Theob. in Killias 1860 Jahresber. Naturf. Ges. Graubündens N.F. 5, 76.
Veronica inflexa Cassebeer & Theobald 1849 Fl. Wetterau 265

Nach Theobald benannte Pflanzen:
Theobaldia O. Heer 1877 Fl. foss. Helvet. 114

Gagea ×theobaldii Brügger 1874 Fl. Cur. 56.
Salix ×theobaldiana Brügger ex Killias 1887/88 Jahresber. Naturf. Ges. Graubündens N.F. 31, Beil. 167.
Sempervivum ×theobaldii Brügger 1880 Jahresber. Naturf. Ges. Graubündens N.F. 23‒24, 97.

Actinopelte theobaldi Stizenberger 1861 Flora 44(1), 4. (Flechte)
Catillaria theobaldi Hepp & Körber 1865 Parerga Lich. 197. (Flechte)
Didymodon theobaldi Pfeffer 1868 Jahresber. Naturforsch. Ges. Graubündens N.F. 13, 83. (Moos)
Spirogyra theobaldi 1849 Kützing Spec. Alg. 438. (Alge)

Publikationen: (Nur botanische Werke)
    Theobald: Flora Wetterau
  • 1847‒1849 mit J. H. Cassebeer: Flora der Wetterau. Erste Abtheilung (Phanerogamie). ‒ Friedrich König, Hanau. CXII + 266 + [1] Seiten. [Lieferung 1 in Flora 30(11) vom 21. März 1847 angekündigt]
  • 1854: Verzeichniss der Wetterauischen Algen. ‒ Jahresber. Wetterauer Ges. gesammte Naturk. Hanau 1851/1853, 141‒156, Hanau.
  • 1854: Algues des environs de Genève. ‒ Bulletin de la Societé Hallérienne 2, 69-76, Genève.
  • 1858: Die Flechten der Wetterau. ‒ Naturhistor. Abhandl. Gebiete Wetterau. Festgabe Wetterau. Ges. gesammte Naturk. Hanau 50jährigen Jubelfeier. 313‒390, Hanau.
  • 1858: VI. Beiträge zur Rhätischen Flora. I Bündner Flechten. ‒ Jahresber. Naturforsch. Ges. Graubündens N.F. 3, 102‒165, Chur.
  • 1860: Naturbilder aus den Rhätischen Alpen. ‒ Leonh. Hitz, Chur. IV + 296 Seiten. [Berücksichtigt auch die Flora]
  • 1861: Essbare und schädliche Schwämme Graubündens. ‒ Bündnerisches Monatsblatt 12, Chur. [in Nr. 1‒6]
  • 1861: Das Bündner Oberland oder der Vorderrhein mit seinen Seitenthälern. ‒ Leonh. Hitz, Chur. IV + 215 Seiten, 5 Ansichten, 1 Kärtchen. [Botanische Übersicht: 194‒203]
  • 1862: Naturbilder aus den Rhätischen Alpen. 2. vermehrte und verbesserte Auflage ‒ Leonh. Hitz, Chur. XII + 378 Seiten, 4 Kärtchen.
  • 1863: Einiges über die Pflanzen der Alpenweiden. ‒ Bündnerisches Monatsblatt 14, Chur.
  • 1866: VI. Beiträge zur bündnerischen Kryptogamenflora. I. Bündner Flechten. III. Nachtrag (1861-65). ‒ Jahresber. Naturforsch. Ges. Graubündens N.F. 11, 168‒171, Chur.
  • 1866: Die Bodenverhältnisse Graubündens in Bezug auf Pflanzenwuchs und namentlich Alpwirthschaft. ‒ Jahresber. schweiz. alpwirthschaftl. Ver. 2, Aarau.
  • 1868: Der Pflanzenwuchs des Hochgebirgs im Kampfe mit Gletschern und Firnschnee. ‒ Jahrb. Schweizer Alpenclub 4, 431‒453, Bern.

  • in Killias E. 1866: VI. Beiträge zur bündnerischen Kryptogamenflora. III. Beitrag zur Bündnerischen Laubmoosflora (1862-65) (Mit Beiträgen der Herren Prof. Theobald und Pharmac. Baur). ‒ Jahresber. Naturforsch. Ges. Graubündens N.F. 11, 183-188, Chur.
Quellen:
Szadrowsky H. 1870: Gottfried Ludwig Theobald. Ein Lebensbild. ‒ Jahresber. Naturforsch. Ges. Graubündens 15, 85‒134, 1 Karte, Chur.
Gümbel W. v. 1894: „Theobald, Gottfried Ludwig Th.“. ‒ Allg. Deutsche Biographie 37, 679‒680.
Kiefner T. 1997: Die Waldenser auf ihrem Weg aus dem Val Cluson durch die Schweiz nach Deutschland 1532‒1820/30. 4: Die Pfarrer der Waldenserkolonien in Deutschland. Die Pfarrer und ihre Gemeinden. ‒ Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. 902 Seiten.

Bildnis: mit freundlicher Erlaubnis des Conservatoire et Jardin botaniques de la Ville de Genève, Pierre Boillat (Bibliothekar)

Handschrift: Gottfried Ludwig Theobald, Beleg aus WIES

© BVNH 31. Okt. 2013