Engelbert August Carl Lambert Hubert Maria Freiherr von Spiessen

* 25. September 1844 Dülmen (Münsterland)
† 13. Januar 1915 Eltville

von Sylvain Hodvina

August von Spiessen

Engelbert August Carl Lambert Hubert Maria von Spiessen wurde als zweites von sechs Kindern des Preußischen Kreisgerichtsrat Levin Maria Joseph Ludwig von Spiessen (* 16. April 1800 Münster/Westfalen, † 29. April 1879 Dülmen) und dessen Ehefrau Maria Aloysia Engelberta von Rump (* 25. Oktober 1817 Crange (Herne), † 1. Mai 1868 Dülmen) am 25. September 1844 in Dülmen geboren. Seine Geschwister waren August Alfons Julius Maria (1843‒1843), Franz Arnold Clemens Hubert Maria (1847‒1877), Franz Carl Matthias Wilhelm Maria (1849‒1884), Max Otto Aloys Hubert Johann Maria (1852‒1921) und Maria Antonia Franziska Huberta Walpurga (1855‒1916).

Zunächst besuchte August von Spiessen die Elementar- und die Rektoratsschule in Dülmen, bevor er 1859 auf das Gymnasium Paulinum in Münster wechselte, wo er im August 1864 das Abitur bestand. Vom 1. Oktober 1864 bis Ende September 1865 diente er bei der 2. Kompanie des Westfälischen Festungs-Artillerie-Regiments Nr. 7 in Minden. Anfang Oktober 1865 begann er eine Lehre für die Laufbahn als Forstbeamter bei dem Oberförster Joseph Ferdinand Freiherr von Wrede (1825‒1907) in Hardehausen. Diese Lehre wurde unterbrochen durch die Teilnahme am Preußisch-österreichischen Krieg vom 9. April bis 10. Oktober 1866, bei dem das (preußische) Regiment gegen das mit Österreich verbündete Hannover eingesetzt wurde, sein Truppenteil jedoch nicht in Kämpfe verwickelt wurde. Anschließend kehrte er nach Hardehausen zurück und beendete seine Lehrzeit im Frühjahr 1867.

Ab Ostern 1867 studierte August von Spiessen Forstwissenschaft an der Forstakademie Eberswalde und erhielt dort eine umfassende theoretische und praktische Vorbildung für den Dienst in der Staatsforstverwaltung unter der Leitung des Direktors Bernhard Engelbert Joseph Danckelmann (1831‒1901); sein Studium schloß er mit dem ersten Staatsexamen 1870 ab.

Mitte Juli 1870 wurde August von Spiessen erneut zum Militär in Minden einberufen zu der inzwischen in 1. Kompanie der Hannoverischen Festungs-Artillerie-Abteilung Nr. 10 umbenannten Einheit. Die Einheit wurde in das Elsaß verlegt und belagerte zunächst Straßburg, nach dessen Kapitulation Ende September die Festung Schlettstadt (heute Sélestat) und nach dessen Kapitulation Ende Oktober schließlich Neubreisach, das nach der Kapitulation am 10. November bis 12. März 1871 als Standort der Artillerie-Kriegsbesatzung diente. Danach wurde die Einheit wieder aus dem Elsaß nach Minden zurückverlegt.

Nach dem Krieg war August von Spiessen von Juli 1871 bis August 1872 als Forstkandidat in der Oberförsterei Glindfeld (bei Medebach im Sauerland) tätig. Danach bildete er sich in den Oberförstereien Rothebreite (bei Nieste im Kaufunger Wald), Potsdam und Uslar (im Solling) weiter, bevor er das Studium der Forstwissenschaft an der Eisenacher Forstlehranstalt unter der Leitung von Carl Friedrich August Grebe (1816‒1890) fortsetzte und mit dem 2. Staatsexamen am 25. Oktober 1873 abschloß. Es folgten Verwalterstellen in den Oberförstereien Syke bei Bremen (1874) und Meißner (1875) und ebenfalls 1875 eine Anstellung zunächst als kommissarischer Kommunal-Oberförster in Blankenheim (Eifel).

Am 5. Oktober 1875 heiratete August von Spiessen in Rudolstadt (der Hauptstadt des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt in Thüringen) Anna (Maria) Friedericke Natalie Adolphine Caroline Pauline Thecla von Bertrab (* 4. August 1854 Rudolstadt, † 21. März 1938 Geisenheim), Tochter des Staatsministers (Regierungschef) Jakob Hermann von Bertrab (* 15. Juli 1818 Göttingen, † 2. Dezember 1887 Rudolstadt) und dessen erster Ehefrau Ernestine Marie von Ketelhodt (* 3. Januar 1825 Rudolstadt, † 28. September 1854 Rudolstadt). Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor: Maria Anna Levina Hieronyma Huberta (1876‒1877), Hermann Levin Adolf Hubert Johannes Maria (1878‒1880), Franz Ottomar Anton Max Hubert Maria (1880‒1945), Carl Hermann Hubert Maria (1883‒1884), Martha Maria Huberta Lamberta Antonia (1883‒1884) und Egon Anton Hermann Leo Hubert Maria (1885‒1936).

Handschrift August von Spiessen, Beleg aus JE Bis Mai 1877 war August von Spiessen als Oberförsterkandidat weiterhin in Blankenheim tätig. Die nächsten Stationen seiner beruflichen Laufbahn begannen 1877 als Oberförsterkandidat in Dachsenhausen (mit Sitz Braubach), danach folgte zum 12. September 1880 die Beförderung zum Oberförster und Versetzung zum Dienstort Usingen. Am 22. August 1884 erfolgte schließlich die Versetzung nach Winkel, wo er seit 4. Oktober 1892 bis zum Ruhestand am 1. Oktober 1909 als Forstmeister Dienst tat. Ende September 1909 erhielt er den Roten Adlerorden (preußischer Verdienstorden) IV. Klasse verliehen. Im gleichen Jahr zog die Familie nach Eltville um. August von Spiessen wurde zuckerkrank und litt an Arterienverkalkung. Infolge einer Lungenentzündung in Verbindung mit Herzschwäche starb er am 13. Januar 1915 in Eltville.

Schon früh interessierte sich August von Spiessen für die Pflanzenwelt und erkundete als Jugendlicher allein oder in Begleitung seiner Geschwister die nähere Umgebung Dülmens und später dann die jeweiligen Gegenden, an denen er beruflich ansässig war. Bereits 1873 publiziert er „Beiträge zur Flora Westphalens“, in denen seine Funde von Dülmen und Medebach aufgelistet sind. Wie den Veröffentlichungen seit seiner Übersiedlung nach Usingen und dann nach Winkel entnommen werden kann, dehnte August von Spiessen seine botanischen Erkundungen auf größere Bereiche aus und botanisierte außer im Taunus und Rheingau sowohl an der Bergstraße in Südhessen als auch im Nahetal, in Rheinhessen, in der Wetterau, am Mittelrhein und an der Lahn. Die Herbarbelege entstammten meist folgenden Gegenden: Flora von Rheinhessen, Flora von Rheinpreussen und Flora von Nassau. Seine Exkursionsberichte und botanischen Übersichten einzelner bemerkenswerter Gebiete sind eine wertvolle Quelle zu Verbreitung und ehemaligen Vorkommen inzwischen verschollener Pflanzensippen.

Seit 1878 war August von Spiessen Mitglied der botanischen Sektion des Westfälischen Provinzial-Vereins für Wissenschaft und Kunst in Münster und seit 1881 Mitglied des Botanischen Tauschvereins für Thüringen in Sondershausen. Im Jahre 1885 wurde er auch Mitglied der Astronomischen Gesellschaft in Hamburg, denn der Astronomie galt eine weitere Leidenschaft; in Winkel besaß er sogar eine eigene Sternwarte.

August von Spiessen schenkte sein etwa 20000 Belege umfassendes Herbarium 1908 dem Provinzial-Museum für Naturkunde in Münster (heute MSTR, Museum für Naturkunde des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, LWL). Einzelbelege finden sich in B, GOET, HAL, HBG, JE, M, POLL, STR und WIES.

Für August von Spiessen existiert kein Autorenkürzel.

Von August von Spiessen beschriebene Pflanzen:


Nach von Spiessen benannte Pflanzen:


Publikationen:
Spiessen: Convolvulus-Varietät
  • 1873: Beiträge zur Flora Westphalens. ‒ Verhandl. Naturhist. Ver. Preuss. Rheinlande Westfalen 30, 68‒79, Bonn.
  • 1882: Die Flora des Rheines und der angrenzenden Flussgebiete. ‒ Irmischia 2(2), 15‒16, Sondershausen.
  • 1882: Die Flora des Rheines und der angrenzenden Flussgebiete. ‒ Irmischia 2(3/4), 24‒25, Sondershausen.
  • 1882: Die Flora des Rheines und der angrenzenden Flussgebiete. ‒ Irmischia 2(10/11), 68‒69, Sondershausen.
  • 1883: Aus Nassau (Alisma parnassifolium nicht bei Offenbach). ‒ Deutsche Botan. Monatsschr. 1(10), 172, Sondershausen.
  • 1884: Über einen vorzüglichen Beleuchtungsapparat für mikroskopische Instrumente. ‒ Deutsche Botan. Monatsschr. 2(2), 31, Sondershausen.
  • 1884: Die Pulmonaria-Arten Nassaus und der nächsten Umgebung. ‒ Deutsche Botan. Monatsschr. 2(5), 75‒76, Sondershausen.
  • 1884: Aus dem Nassauischen (Exkursionsberichte aus der Wetterau u. von der Bergstrasse). ‒ Deutsche Botan. Monatsschr. 2(8), 127‒128, Sondershausen.
  • 1885: Exkursionsbericht. Riet oberhalb Mainz über Bischofsheim, Bauschheim, Astheim nach Nackenheim. ‒ Irmischia 5(5/6), 35, Sondershausen.
  • 1885: Exkursionsbericht. Wiesen bei Freiweinheim in Rheinhessen. Am 30. Juli 1885. ‒ Irmischia 5(7), 47, Sondershausen.
  • 1885: Kurze Notiz über Hymenophyllum tunbridgense Sw. ‒ Irmischia 5(10), 76, Sondershausen.
  • 1885: Zusätze und Bemerkungen zur 15. Auflage von Garckes Flora von Deutschland aus verschiedenen Gegenden. ‒ Deutsche Botan. Monatsschr. 3(7/8), 97‒101, Sondershausen.
  • 1885: Exkursion nach den Freiweinheimer Wiesen in Rheinhessen. ‒ Deutsche Botan. Monatsschr. 3(7/8), 124, Sondershausen.
  • 1886: Über eine merkwürdige Convolvulusform. ‒ Deutsche Botan. Monatsschr. 4(10), 157, Sondershausen.
  • 1886: Eine eigenthümliche Varietät der Ackerwinde, Convolvulus arvensis L. var. corolla quinquepartita. ‒ Ber. Deutsche Botan. Ges. 4(7), 258, Berlin.
  • 1895: Die Ingelheimer Heide. ‒ Allg. Botan. Zeitschr. 1(2), 34‒35, Karlsruhe.
  • 1895: Die Freiweinheimer Wiesen (Rheinhessen). ‒ Allg. Botan. Zeitschr. 1(12), 235‒236, Karlsruhe.
  • 1896: Die Alteburg bei Boppard am Rhein. ‒ Allg. Botan. Zeitschr. 2(10), 165‒167, Karlsruhe.
  • 1897: Der Rochusberg bei Bingen. ‒ Allg. Botan. Zeitschr. 3(2), 24‒26, Karlsruhe.
  • 1900: Altes und Neues über Gefässkryptogamen. ‒ Allg. Botan. Zeitschr. 5(7/8), 109‒112, Karlsruhe.
  • 1901: Die Wisselsheimer Salzwiesen in der Wetterau. ‒ Allg. Botan. Zeitschr. 6(7/8), 142‒143, Karlsruhe.
  • 1901: Das Süskenbruch bei Dülmen in Westfalen. ‒ Allg. Botan. Zeitschr. 6(9), 175‒177, Karlsruhe.
  • 1902: Das Süskenbruch bei Dülmen in Westfalen. ‒ Jahresber. Botan. Sektion Westfäl. Provinz.-Ver. Wiss. Kunst 30, 91‒93, Münster.
  • 1914: Convolvulus arvensis L. mit fünflappiger Blumenkrone im Rheingau. ‒ Allg. Botan. Zeitschr. 19(4), 59, Karlsruhe.
Publikationen zur Astronomie (Auswahl):
  • 1885: Ueber den neuen Stern im grossen Andromeda-Nebel. ‒ Astronom. Nachr. 112(16-17), 296, Kiel.
  • 1887: Ueber die Encke'sche Theilung des Saturnringes. ‒ Astronom. Nachr. 116(16), 245, Kiel.
  • 1887: Beobachtung der Sonnenfinsternis 1887 August 18‒19. ‒ Astronom. Nachr. 117(18), 205, Kiel.
  • 1889: Aschfarbenes Licht der Venus. ‒ Wochenschr. Astronomie, Meteorologie Geographie 32, 103, Halle.
  • 1889: Korrespondenznachricht aus Winkel. ‒ Wochenschr. Astronomie, Meteorologie Geographie 32, 360, Halle.
  • 1889: Aussehen des Kraters Plinius. ‒ Wochenschr. Astronomie, Meteorologie Geographie 32, 376, Halle.
  • 1889: Das Ringgebirge Endymion. ‒ Wochenschr. Astronomie, Meteorologie Geographie 32, 376, Halle.
Publikationen über August von Spiessen:
  • Koenen O. 1917: Freiherr August von Spiessen †. ‒ Jahresber. Botan. Sektion Westfäl. Provinz.-Ver. Wiss. Kunst 45, 3‒4, Münster.
Quellen:
  • Staehler [K.] 1877: Geschichte des Fuss-Artillerie-Regiments Nr. 15 und seiner Stamm-Truppentheile. ‒ Ernst Siegfried Mittler, Berlin. VI + 199 Seiten, 4 Skizzen.
  • Charlier C. V. L. & F. Endström 1904: Porträtgallerie der Astronomischen Gesellschaft. ‒ Hasse W. Tullberg, Stockholm. 70 Seiten. [57].
  • Spiessen F. von 1938: Die Freiherren von Spiessen. Chronik und Stammtafeln. ‒ Manuskript, Frankfurt/Oder. [58‒62].

  • Bildnis und Chronik: Privatarchiv Christiane von Spiessen (Freiburg)

    Handschrift: August von Spiessen, Beleg aus JE

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