Ingeborg Toni Irma Lenski

* 19. März 1927 Berlin
† 23. Juli 2019 Berlin

von Sylvain Hodvina

Ingeborg Lenski

Ingeborg Toni Irma Lenski wurde am 19. März 1927 in Berlin geboren. Sie war das älteste Kind des Hoch- und Brückenbau-Ingenieurs Gilbert Helmut Walter Lenski (* 4. April 1903 Nakel/Kreis Karthaus/Westpreußen [heute: Nakla im Powiat Bytowski/Pommern], † 30. August 1989 Berlin), der nach seinem Studium in Jena in Berlin in einem Patentanwaltsbüro angestellt war, wo er unter anderem sich mit Patenten zu Rechenmaschinen beschäftigte. Ihre Mutter war Irma Magdalena Morzer (* 17. August 1899 Leipzig, † 10. März 1992 Berlin). Die jüngeren Geschwister sind Volkmar Edgar (* 1930) und Gunthild Gertrud Marie (* 1936).

Nach dem Besuch der Grundschule in Berlin-Lichtenrade in den Jahren 1933 bis 1937 (damals 11. Volksschule, heute Käthe-Kollwitz-Schule) erfolgte 1937 der Wechsel in die fünfklassige Oberschule für Mädchen und im Herbst 1942 der Wechsel an die Gertrud-Stauffacher-Schule, einer Oberschule für Mädchen in Berlin Mariendorf. 1943 erfolgte eine Evakuierung nach Brünn-Retschkovitz in Südmähren. Dort wurde Ingeborg Lenski zunächst zum Kriegshilfsdienst eingesetzt, anschließend dann bis zum Kriegsende 1945 in den Reichsarbeitsdienst eingezogen.

Nachdem die Schulausbildung wieder aufgenommen werden konnte, legte Ingeborg Lenski ihr Abitur am 3. März 1947 am sprachlichen Zweig der Ulrich-von-Hutten-Schule in Berlin-Lichtenrade ab. Hierauf folgte ein halbes Jahr Tätigkeit in einer Gärtnerei.

Mit Beginn des Wintersemesters 1947/48 studierte Ingeborg Lenski für drei Semester an der pädagogischen Hochschule in Berlin, bevor sie im Sommersemester 1949 für ein Studium der Botanik an die Freie Universität Berlin wechselte. Im Januar 1952 erfolgte das Vordiplom in Biologie. Im Jahr 1953 begann sie unter der Leitung von Horst Drawert (1910‒1976) eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Thema „Über die Brutzwiebelbildung auf den Blättern von Drimiopsis kirkii Bak.“. Am 13. Mai 1957 wurde sie zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert und am 6. Januar 1958 legte Ingeborg Lenski außerdem das Staatsexamen für das Lehramt an Oberschulen wissenschaftlichen Zweiges ab.

Seit dem Sommersemester 1955 arbeitete sie als studentische Hilfskraft, nach der Promotion dann ab dem 1. April 1957 als wissenschaftliche Assistentin am pflanzenphysiologischen Institut der Freien Universität Berlin bei Horst Drawert. Im Mittelpunkt der Arbeiten standen Untersuchungen zur Vitalfärbung zur Klärung der Details im Aufbau pflanzlicher Zellen. Als sich die Gelegenheit bot, ein Elektronenmikroskop anzuschaffen, nutzte Drawert die damit verfügbar gewordenen neuen Möglichkeiten als einer der ersten Botaniker zur Absicherung seiner Ergebnisse.

1959 folgte Drawert einem Ruf an die Philipps-Universität Marburg (die er 1964 wieder verließ, einem Ruf nach Hamburg folgend). Das Elektronenmikroskop machte den Umzug nach Marburg mit und besonders in den ersten Jahren in Marburg erfolgten intensive Untersuchungen zum Bau und zur Entwicklung von mikroskopischen Algen (besonders Desmidiaceen). In Marburg war Drawert auch maßgeblich an der Planung des Umzugs des Botanischen Instituts und Gartens von der Stadt in die Lahnberge beteiligt. Mit Drawert ging auch Ingeborg Lenski nach Marburg und wurde am 1. Oktober 1959 wissenschaftliche Assistentin am Botanischen Institut. Sie folgte Drawert aber nicht nach Hamburg, sondern blieb in Marburg, wo sie die Möglichkeit sah, sich intensiver mit Taxonomie und Phanerogamenverbreitung zu beschäftigen. Ab November 1965 war Ingeborg Lenski zunächst als wissenschaftliche Angestellte tätig, 1969 erfolgte die Ernennung zur akademischen Rätin und im Zuge der Hochschulreform 1972 die Ernennung zur Professorin. Diese Tätigkeit übte sie bis zum Ruhestand Ende März 1992 nach dem Erreichen der Altersgrenze (65. Geburtstag) aus.

Ihren Ruhestand verbrachte Ingeborg Lenski in Marburg, später ab August 2013 in einem Pflegeheim in Pottenstein (Oberfranken) und schließlich ab August 2017 in Berlin, wo sie am 23. Juli 2019 verstarb.

Handschrift Ingeborg Lenski Von Kind an zeigte Ingeborg Lenski Interesse an Pflanzen, das gefördert wurde durch die Eltern und das Aufwachsen im elterlichen Garten am Stadtrand von Berlin. Nach der Beschäftigung mit pflanzenphysiologischen Themen im Rahmen der Dissertation richtete sie ihren Fokus schon bald nach dem Wechsel nach Hessen auf die Untersuchung der dortigen Flora in ihrer zeitlichen Dynamik. Durch die Beauftragung für entsprechende Lehrtätigkeiten an der Philipps-Universität sowie Betreuung des Herbars konnte sie diesem Interesse nachgehen. Dabei bildeten zunächst cytotaxonomische und freilandbiologische Untersuchungen den Schwerpunkt. Zunehmend wurden Fragen des Natur- und Umweltschutzes relevant, durch ihre gute Vernetzung mit anderen Botanikern war ihre Fachkenntnisse stets gefragt und so wurde ihr Wissen vielen eine Hilfe. Die Lehrtätigkeit, die Betreuung von Diplom-, Staatsexamens- und Doktorarbeiten füllten sie so aus, dass eigene Publikationen nur eine untergeordnete Rolle spielten.

Eine engere Zusammenarbeit mit Wolfgang Ludwig (1923‒2013) im Rahmen der Arbeiten zu einem Fundortsverzeichnis zur Flora Hessens war zu Beginn der 1960er Jahre mit einer ausgedehnten Bereisung Hessens verbunden, wurde aber nach zwei Publikationen nicht weiter geführt. Durch Chromosomenuntersuchungen konnten sowohl der Erstnachweis von Poa supina für Hessen geführt werden wie auch das Vorkommen des Bastards mit Poa annua. Umfangreiche Chromosomenzählungen halfen auch bei der geographischen Übersicht der verschiedenen Ploidietypen bei der Gattung Polypodium (P. vulgare, P. interjectum und deren Bastard P. ×mantoniae).

Botanisierte Ingeborg Lenski zunächst nur in der Berliner Umgebung, unternahm sie schon während ihrer Studentenzeit Sammelreisen, zunächst Mitte der 1950er Jahre nach Italien (Sizilien, Gardasee) und Skandinavien (Lappland und Norwegen). In den 1960er Jahren folgten dann Österreich (Zillertal, Osttirol), Italien (Sizilien, Kalabrien) und Jugoslawien (Istrien). In den 1970er Jahren wurden die atlantischen Inseln mehrfach besucht (jeweils dreimal Teneriffa und Madeira), außerdem Frankreich, die Niederlande und Italien (Südtirol). Mit Beginn der 1980er Jahre richtete sich das Sammelinteresse neben nahen Zielen in der Schweiz (Wallis) auch auf entferntere Ziele wie Portugal, Griechenland (Kreta, Euböa), Nordamerika (Minnesota), Mittelamerika (Costa Rica) und Afrika (Kenia und Südafrika). In den 1990er Jahren standen dann Fernreisen im Vordergrund: Mittelamerika (4 x Costa Rica), Afrika (3 x Tansania), Südostasien (Indonesien), daneben Portugal, Griechenland, Rumänien und Polen. Die letzten Auslandsreisen führten alle nach Ostafrika (Tansania, letztmals 2003). Von all diesen Reisen brachte Ingeborg Lenski jeweils hunderte von Belegen mit, die sie nicht nur in ihren Notizbüchern akribisch mit Fundorten und Daten versah, sondern auch in einer nach Arten alphabetisch aufgebauten Fundortkartei sowie einer ebenfalls alphabetischen Herbarkartei erfasste. Beide Karteien sowie die Notizbücher und tausende von beschrifteten Diapositiven mit Pflanzenbildern befinden sich im Nachlass, der dem Herbarium der Philipps-Universität (MB) 2019 geschenkt wurde.

Das von Ingeborg Lenski hinterlassene Herbar liegt im Herbarium Marburgense (MB) und umfasst mehrere Tausend Belege. Etwa 360 Belege aus Hessen sind datiert, der älteste Beleg stammt vom Frühjahr 1960, der jüngste Beleg von 2003. Der größte Teil des Herbars umfasst Belege aus Mittelamerika und Ostafrika.

Von Lenski beschriebene Arten:


Nach Lenski benannte Pflanzen:


Publikationen:
Lenski: Flora Hessen
  • 1958: Über die Brutzwiebelbildung auf den Blättern von Drimiopsis kirkii Bak. ‒ Dissertation Freie Universität Berlin. ‒ Planta 50: 579‒ 621, Würzburg.
  • 1962: Nachweis von Paraphysen-tragenden Polypodium in Deutschland (Vorläufige Mitteilung). ‒ Ber. Deutschen Botan. Ges. 75(6): 189‒ 192, Stuttgart.
  • 1964: Merkmalsprüfungen an den europäischen Zytotypen von Polypodium vulgare L. s. lat. Mit 7 Abbildungen im Text. ‒ Flora 154(1): 245‒ 266, Jena.
  • 1964 mit W. Ludwig: Poa supina und Poa annua × supina in Hessen. ‒ Hess. Florist. Briefe 13(154): 41‒49, Darmstadt.
  • 1966: Chromosomenzahlen in der Gattung Sibthorpia (Scrophulariaceae). - Die Naturwissenschaften 53(24): 710-711, Heidelberg
  • 1966 mit W. Ludwig: Neues Fundortverzeichnis zur Flora von Hessen (= Supplement zu H. Klein †: Flora von Hessen und Mainfranken). Teil 2 (Gymnospermae, Angiospermae: Pandanales, Heliobiae). ‒ Jahrb. Nass. Ver. Naturk. 98: 64‒95, Wiesbaden.
  • Wittenberger G. 1967: Ornithogalum boucheanum Aschers. nicht im Rumpenheimer Schloßpark. ‒ Hess. Flor. Briefe 16: 46, Darmstadt. [mit Ergänzungen von W. Ludwig und I. Lenski].
  • 1969 mit W. Ludwig: Zur Kenntnis der hessischen Flora. ‒ Jahrb. Nass. Ver. Naturk. 100: 112‒133, Wiesbaden.
  • 1971 mit W. Ludwig: Cornus (Swida) ×hungarica in Rheinhessen und an der Bergstraße. ‒ Hess. Florist. Briefe 20(230): 9‒12,
  • 1972 mit W. Ludwig: Über Potentilla anglica und P. anglica × erecta in Hessen. ‒ Hess. Florist. Briefe 21: 34‒36, Darmstadt.
  • Pohl G. & I. Lenski 2004: Zur Verbreitung und Vergesellschaftung von Pennisetum orientale Rich. in Nordeuböa (Griechenland) (Poaceae, Paniceae). ‒ Senckenbergiana biologica 83(2): 209‒223, Frankfurt am Main.
Publikationen über Ingeborg Lenski:
  • Ludwig W 1964: Schriftenschau. ‒ Hess. Flor. Briefe 13: 24, Darmstadt. [unter anderem zur Rumex-acetosella-Gruppe mit Chromosomenzählungen von G. Dersch und I. Lenski].
  • Ludwig W. 1964: Lenski, I.: Merkmalsprüfungen an den europäischen Zytotypen von Polypodium vulgare L. s. lat. ‒ Flora 154(1): S. 245‒266, Jena 1964. ‒ Hess. Florist. Briefe 13: 39‒40, Darmstadt. [Rezension].
  • Anonymus 2019: Nachrufe. ‒ Uni:Leute. Preise & Personalia: 2019. Beilage Marbuger Unijournal Winter 2019/2020: 12‒13, Marburg. [13: Im August 2019 ist die 1927 geborene Biologin Professorin Dr. Ingeborg Lenski im Alter von 92 Jahren verstorben. ... Sie lehrte in Marburg bis zu ihrer Pensionierung 1992.].
Quellen:

Bildnis & biographische Informationen: M. Lenski (Berlin)
Handschrift: Ingeborg Lenski (MB)

© BVNH 4. April 2020