Kurt Kellner

* 26. Mai 1920 Brünn
† 2. Dezember 2002 Marburg

von Franco Kämmer

Kurt Kellner stammte aus der deutschsprachigen Minderheit in Mähren (Brünn, dann Sternberg bei Olmütz), sein Vater war dort Schuldirektor gewesen. Die ostmitteleuropäisch-habs­burgische frühe Prägung war ihm gut anzumerken. Unvermeidlich für seinen Jahrgang folgte dann nach dem Abitur 1938 eine Soldatenzeit ab 1939 von zusammen 7½ Jahren, einschließlich Verwundungen und Gefangenschaft. 1946 strandete er in Marburg, seiner Wahlheimat auf Dauer. Durch eine Genesungsbeurlaubung ergab sich schon im Wintersemester 1941/42 Gelegenheit zu einem ersten Semester Biologiestudium an der Karls-Universität Prag. Sonst ist aus den ersten, persönlichkeitsbildenden 26 Lebensjahren hier noch eine von ihm selbst erzählte Anekdote zu berichten, die typisch für den Wissensdrang, die Begeisterungsfähigkeit und Grundstimmung ist. Ausgerechnet in den Stellungen vor Leningrad hat er mit dem immer im Kriegsgepäck befindlichen Schmeil/Fitschen sein erstes Ledum palustre bestimmt, das dort durch Harzduft und Blüte auffällige Bestände in den Moorwäldern bildete.

Nach dem Studium der Biologie (Chemie, Physik) in Marburg folgten im Juli 1953 die Promotion zum Dr. phil. und zwei Jahre Assistententätigkeit am dortigen Botanischen Institut. Auf diese ganze Zeit seit 1946 geht auch der später noch lang anhaltende enge Kontakt mit dem ebenfalls dort studierenden bzw. angestellten Wolfgang Ludwig zurück. Anders als dieser entschied sich Kurt Kellner für eine Schullaufbahn am Marburger Gymnasium Philippinum, wo er 1982 mit 62 Jahren als Studiendirektor in den Ruhestand ging. Über diese Tätigkeit und Seite seines Lebens findet sich bei Gut (1983) eine ausführlichere Darstellung.

Wer Kurt Kellner auf privaten oder Studentenexkursionen erlebt hat, konnte eher zur Überzeugung gelangen, dass dies neben (oder vor) dem Schuldienst immer seine eigentliche Leidenschaft war. Entsprechend erhielt er auch gleich ab Sommersemester 1955 am Botanischen Institut Marburg einen mehrere Jahrzehnte währenden Lehrauftrag für Botanik / Didaktik der Botanik / Bryophyten, was Auerbach (1979) im Einzelnen auflistet. Konkret bedeutete das unter anderem die Durchführung von botanischen Exkursionen für Anfänger (und mittlere Semester) sowie des Mooskurses mit Geländetagen. Da versierte Floristen an Universitäten auch damals schon selten und vor allem wegen Arbeitsüberlastung kaum abkömmlich waren, wurde er gebeten, die gemischt zoologisch-botanischen großen Exkursionen, etwa nach Südfrankreich 1963, fachlich mit zu begleiten. Darüber hinaus hat er sich oft auch auf privat organisierten Wochenendunternehmungen gemeinsam mit Ornithologen, Orchideenfreunden und ähnlichen Gruppierungen eingebracht, wovon alle profitierten, nicht zuletzt wegen guter Geländekenntnis (einschließlich von Sonderstandorten) und Auskunftsfreudigkeit. Es war ihm generell ein Anliegen, interessierte Studenten damals auch mit anspruchsvolleren Exkursionsfloren bekannt zu machen, etwa F. Hermann (1956), P. Fournier (1961) und vielen üblichen sonst, einschließlich Regionalfloren und zu Moosen, Gräsern etc.

Kurt Kellner kannte zweifellos viele wichtige Pflanzenvorkommen von Gefäßpflanzen und Moosen aus eigener Anschauung, etliche schon seit den 1950er und 1960er Jahren, siehe Ludwig (1962 und 1966). Nur einige seiner Funde hat er aber selbst publiziert, den weitaus größten Teil stellte er den diversen nach und nach erscheinenden allgemein bekannten Übersichtswerken zur Verfügung. Bei den jeweils zuständigen Stellen sollten dazu auch die Daten hinterlegt und zurückverfolgbar sein. Zu nennen wären vor allem die Verbreitungsaltanten von Westdeutschland (1988), Bayern (1990), Baden-Württemberg (1990-1998), Ostdeutschland (1996), Niedersachsen (2007), Deutschland Moose (2007). In Haeupler & al. (1988) wird auf Seite 23 sein diesbezügliches Engagement besonders hervorgehoben. Fundmitteilungen und Belege von ihm sind auch sonst in der floristischen und naturschützerischen Literatur verstreut aufzufinden, so hinsichtlich Burgwald und Franzosenwiesen (vgl. ferner im Internet).

Handschrift Kurt Kellner Über den Verbleib des wissenschaftlichen Nachlasses (Herbarien, Notizen u.ä.) ist einstweilen (Stand Mai 2013) nur bekannt geworden, dass sich zumindest 470 Gefäßpflanzenbelege durch Vermittlung von Wolfgang Ludwig bei Heinz Kalheber in Runkel befinden. Es ist beabsichtigt, sie ans Senckenberg-Naturmuseum (FR) in Frankfurt zu geben. Die meisten Aufsammlungen davon stammen aus Mittelhessen und Ostbayern (wo sein oft besuchter Bruder südlich von Regensburg lebte). Ferner vorhanden sind Pflanzen von Reisen in verschiedene andere mitteleuropäische Gebiete und Staaten, zum Beispiel Österreich. Zu den Moosen lässt sich derzeit aber nichts sagen.

Kurt Kellner war verheiratet und hatte jeweils zwei Söhne und Töchter. Er konnte seinen 20-jährigen Ruhestand borreliosebedingt später immer weniger in gewohnter Weise nutzen.

Im Rückblick erscheint er als ein Vertreter der 'Alten Schule' im besten Sinne des Wortes, der schon frühzeitig versucht hat, dem (zeitweiligen) Verschwinden von Taxonomie und Floristik an den meisten Universitäten und Schulen entgegenzuwirken.

Publikationen:
  • 1953: Das Mauerhungerblümchen, Draba muralis L. im oberen Lahntal. ‒ Hess. Florist. Briefe 2(14), 2‒3, Offenbach/M-Bürgel.
  • 1953: Über Adaptationserscheinungen bei Grünalgen. ‒ Dissertation Universität Marburg. [Mit ausführlichem Lebenslauf hinten; 56 Seiten, dazu Blätter mit eingeklebten graphischen Darstellungen und Abbildungen; Marburg, Philosophische Fakultät, 29. Juli 1953]
  • 1955: Wilhelm Pfeffer 1845‒1920 / Botaniker (Pflanzenphysiologe). In: I. Schnack (Hrsg.): Lebensbilder aus Kurhessen und Waldeck 1830‒1930, 5, 227‒238. ‒ N. G. Elwert, Marburg.
  • 1958: Der Marburger Botanische Garten. ‒ Marburger Spiegel 1958(3), 16‒20, Marburg.
  • 1958: Arthur Meyer (1850‒1922) / Professor der Botanik. In: I. Schnack (Hrsg.): Lebensbilder aus Kurhessen u. Waldeck 1830‒1930, 6, 222‒226. ‒ N. G. Elwert, Marburg.
  • 1961: Poa bulbosa auf dem Frauenberg bei Marburg. ‒ Hess. Florist. Briefe 10, 34‒35, Offenbach/M.-Bürgel.
  • 1961: Exkursionsbericht. Seiten 47‒48 in: Fachleitertagung für Biologie 1961. [Betr. Nordhessen]
  • 1963: Botanik. In: H.-H. Bergmann (Hrsg.): Vogelkundliche Provence-Exkursion des Zoologischen Institutes der Universität Marburg/Lahn.
  • 1966: Glyceria declinata Bréb. im Bayerischen Wald. ‒ Ber. Bayer. Botan. Ges. 39, 124‒125, München.
  • 1983: Das Quellgras (Catabrosa aquatica) bei Kirchhain (Kreis Marburg-Biedenkopf). ‒ Hess. Florist. Briefe 32, 33‒35, Darmstadt.
  • 1983: Die Pflanzenwelt des Burgwaldes. ‒ Allgem. Forstzeitschr. 38(35), 895‒896, München.
  • 1987: Neuere wichtige Moos-Funde von J. Futschig †. ‒ Hess. Florist. Briefe 36, 50‒55, Darmstadt.
  • 1988: Über einige floristische Beobachtungen im Altkreis Marburg. ‒ Hess. Florist. Briefe 37, 34‒37, Darmstadt.
  • 1991: Pimpinella peregrina L. in einer Rasenansaat bei Kirchhain (MTB 5119/41). ‒ Hess. Florist. Briefe 40, 20‒21, Darmstadt.
  • 1997: Bemerkenswerte Funde im Burgwald (nördlich Marburg). ‒ Hess. Florist. Briefe 46, 15‒16, Darmstadt. [Einschließlich Daten von Thomas Gregor].
Gemeinschaftspublikationen:
  • 1952: A. Pirson & KK: Physiologische Wirkungen des Rubidiums. ‒ Ber. Deutsch. Botan. Ges. 65, 276‒286, Stuttgart
  • 1959: J. Futschig & KK: Über Moosbastarde am natürlichen Standort, 1. Mitteilung: Ein neuer Bastard, Pleuridium subulatum (Schreb.) Lindb. × Ditrichium pallidum (Schreb.) Hampe. ‒ Hess. Florist. Briefe 8(93), 1‒2, Offenbach a.M.
  • 1961: J. Futschig & KK: Drei für Hessen neue Lebermoose (Fossombronia incurva, Lophozia capitata, Riccardia incurvata). ‒ Hess. Florist. Briefe 10, 50‒51, Offenbach/M.-Bürgel.
  • 1965: J. Futschig & KK: Über Vorkommen von Sphagnum imbricatum in Hessen. ‒ Hess. Florist. Briefe 14, 23‒26, Darmstadt.
  • 1995: A. Frede, KK &. J. Langbehn: Der Steppenfenchel (Seseli annuum L.) und seine Begleitvegetation bei Bad Wildungen. ‒ Hess. Florist. Briefe 44, 10‒15, Darmstadt.
Publikationen über Kurt Kellner:
  • Auerbach I. 1979: Catalogus professorum academiae Marburgensis. (= Veröffentl. Histor. Kommission Hessen 15/2). ‒ N. G. Elwert, Marburg. [KK Seite 963]
  • Gut W. 1983: Studiendirektor Dr. Kellner verabschiedet. ‒ Chronika ehem. Marburger Gymnasiasten 5(12), 324, Marburg. [Mit Porträt].
  • Ludwig W. 2005: Über Allium zebdanense, Alnus cordata, Chamaesyce prostrata und Ranunculus psilostachys ‒ zu Funden in und bei Marburg a. d. Lahn. ‒ Hess. Florist. Briefe 54, 23‒28, Darmstadt. [KK Seiten 23, 27‒28]
Quellen:
  • Ludwig W. 1962: Neues Fundorts-Verzeichnis zur Flora von Hessen 1. ‒ Jahrb. Nassau.Ver. Naturk. 96, 6‒45, Wiesbaden. [KK S. 17, 35, 42].
  • Ludwig W. & I. Lenski 1966: Neues Fundorts-Verzeichnis zur Flora von Hessen 2. ‒ Jahrb. Nassau. Ver. Naturk. 98, 64‒95, Wiesbaden. [KK S. 73, 82]
  • Haeupler H. & P. Schönfelder, unter Mitarbeit von F. Schuhwerk (Herausgeber) 1989: Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland. Zweite, durchgesehene Aufl. ‒ Eugen Ulmer, Stuttgart. 770 Seiten. [KK S. 15, 23]
Für Auskünfte und Hilfe bin ich Heinz Kalheber und Thomas Gregor zu Dank verpflichtet.

© BVNH 20. Mai 2013