Ernst Baier

* 16. Dezember 1919 Edelfingen
† 18. März 2007 Baden-Baden

von Hjalmar Thiel und Marcus Schmidt

Ernst Baier

Ernst Baier wurde am 16. Dezember 1919 in Edelfingen (heute Ortsteil von Bad Mergentheim) im Taubertal im Norden von Baden-Württemberg geboren. Sein Vater Ernst Baier (* 1884, † 1968) war Bäckermeister und führte gemeinsam mit seiner Frau Rose (* 1896, † 1984) die 1815 gegründete Bäckerei und Weinstube in der Unteren Straße in der dritten Generation. In diesem Haus wuchs Ernst Baier gemeinsam mit seinen drei Schwestern auf. Nach der Grundschule, die er in Edelfingen besuchte, wechselte er auf das Gymnasium in Tauberbischofsheim, wo er 1938 das Abitur ablegte.

Unmittelbar nach dem Abitur wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, den er von 1938 bis 1939 ableistete. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte er vom September 1939 bis Mai 1945 als Soldat, unter anderem in der damaligen Tschechoslowakei, in Russland und schließlich bei einer V2-Kompanie in Deutschland. Nach Kriegsende gelangte er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 schwer krank entlassen wurde.

Auf Vermittlung seiner ältesten Schwester begann er eine Bäckerlehre in Iserlohn im Café Naumann. 1947 heiratete er Gertrud (Trudel) Naumann (* 1919), die Tochter des Bäckerei- und Cafébesitzers. Nach der Geburt eines Sohnes (1948) und einer Tochter (1950) zog die junge Familie 1950 nach Edelfingen, wo Ernst Baier die Bäckerei seines Vaters übernahm und kurz darauf die Meisterprüfung für das Bäckerhandwerk ablegte.

1955 begann Ernst Baier eine Umschulung zum Berufsschullehrer für die Bäcker- und Fleischerausbildung (Nahrungsmittelgewerbe), da er aus gesundheitlichen Gründen die Tätigkeit als Bäcker nicht mehr ausüben konnte. Nach Abschluss der Ausbildung (1958) folgte ein Umzug nach Witzenhausen (Hessen), wo Ernst Baier bis zur Pensionierung 1982 als Lehrer an den Beruflichen Schulen tätig war.

Aus gesundheitlichen Gründen zogen Ernst und Trudel Baier 2005 in ein Pflegeheim nach Gaggenau in die Nähe des Sohnes und von dort 2006 in ein Pflegeheim in Baden-Baden, wo Ernst Baier am 18. März 2007 nach längerer Krankheit im Alter von 86 Jahren starb. Er wurde in Marxzell beerdigt.

Ernst Baiers Interesse an Chemie und Naturwissenschaften wurde bereits früh durch Lehrer am Gymnasium in Tauberbischofsheim gefördert. Botanik stand dabei nach eigener Auskunft jedoch noch im Hintergrund. Nach dem Abitur hatte er zunächst den Wunsch, Naturwissenschaftler zu werden. Krieg, Gefangenschaft und sein schlechter Gesundheitszustand danach sowie die allgemeine Not der Nachkriegszeit machten diesen Wunschtraum zunichte. Erst nach der Umschulung zum Berufsschullehrer konnte er sich ein Hobby zulegen und sich mit der Realisierung seines Jugendtraumes beschäftigen. Der erste Schritt in diese Richtung war die Anschaffung einer hochwertigen Kameraausrüstung, mit der er vor allem Pflanzen in Makrotechnik fotografierte. Papierabzüge der Fotografien fertigte er selbst in einer Dunkelkammer an. Nun wollte er natürlich auch wissen, was er fotografiert hatte, und so kam es ab 1964 zur Teilnahme an Pflanzenbestimmungskursen und Exkursionen an der Universität Göttingen (unter anderem bei Heinz Ellenberg). Seit dieser Zeit hielt er engen Kontakt zum damaligen Systematisch-Geobotanischen Institut der Universität Göttingen. Ab etwa Mitte der 1980er Jahre unterstützte er selbst zahlreiche Diplomanden und Doktoranden an den Universitäten Göttingen und Kassel (Witzenhausen).

Ab 1968 notierte er Fundangaben, die später Eingang in floristische Veröffentlichungen fanden. Eine Intensivierung der botanischen Exkursionstätigkeit erfolgte nach dem Auszug der Kinder und mit der Pensionierung im Jahr 1982. Das Projekt der Erarbeitung einer Gebietsflora für den Altkreis Witzenhausen mit Meißner und Kaufunger Wald verfolgte er gemeinsam mit Cord Peppler und Volker Sahlfrank ab 1985. Die Erstauflage erschien 1988.

In den Folgejahren 1988 bis 1994 sammelte er gezielt umfangreiches Belegmaterial von Habichtskräutern (Hieracium, Pilosella) im Bearbeitungsgebiet der Flora und darüber hinaus. Dabei bestand ein enger Austausch mit Günter Gottschlich (Tübingen), der Insgesamt 553 Belege von Ernst Baier revidierte.

Ab den 1990er Jahren arbeitete sich Ernst Baier trotz einer Sehschwäche, aufgrund der er beispielsweise nicht mehr Auto fahren konnte, systematisch in die Bestimmung von Moosen ein und wurde Mitglied der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e. V. In enger Zusammenarbeit mit Ludwig Meinunger (Steinach) verbrachte er sehr viel Zeit mit Kartierungsarbeiten in der weiteren Umgebung von Witzenhausen für den Verbreitungsatlas der Moose Deutschlands. Gemeinsam mit Markus Preußing (Holzminden) erarbeitete er ab Ende der 1990er Jahre eine „Moosflora des Meißners“, die Anfang der 2000er Jahre abgeschlossen wurde. Die leider nicht veröffentlichte Untersuchung berücksichtigt neben umfangreichen eigenen Erhebungen eine gründliche Auswertung der moosfloristischen Literatur und Herbarstudien, unter anderem im Herbarium des Naturkundemuseums Kassel.

Nach einigem Zögern entschloss sich Ernst Baier im Alter von etwa 80 Jahren zu einer grundlegenden Überarbeitung der Flora des Altkreises Witzenhausen mit Meißner und Kaufunger Wald für eine Zweitauflage, die 2005 gedruckt wurde. Das Bearbeitungsgebiet wurde dafür von ihm um grenznahe Bereiche von Thüringen erweitert, das Datenmaterial umgruppiert und um Angaben der Messtischblatt-Viertelquadranten ergänzt. Neufunde bis zum Jahr 2004 wurden aufgenommen.

Im direkten Kontakt mit Naturschutzbehörden und Forstämtern, mit Landwirten und ehrenamtlichen Naturschützern setzte sich Ernst Baier für den Erhalt gefährdeter Pflanzenvorkommen im Werra-Meißner-Kreis ein und war in Naturschutzfragen ein geschätzter Ansprechpartner. Bis kurz vor seinem Umzug nach Baden-Württemberg engagierte er sich noch gegen den Bau eines Müllheizkraftwerkes im Gelstertal bei Witzenhausen.

Auf seine Initiative hin wurde 1992 der Restbestand des großräumig isolierten Vorkommens von Brauns Schildfarn (Polystichum braunii) auf dem Meißner gegattert und vor Muffelwildverbiss geschützt. In Schreiben an die zuständigen Behörden und in einer Veröffentlichung (Baier & al. 2005) wies er ab 2004 nochmals beharrlich auf die extrem kritische Bestandsituation der Art hin und aktivierte andere Botaniker, sich für den Erhalt der Art zu engagieren. Baier gab dadurch den wesentlichen Impuls für ein beispielhaftes Kooperationsprojekt zum Erhalt von Brauns Schildfarn unter Beteiligung des Forstamtes Hessisch-Lichtenau, der Oberen Naturschutzbehörde (RP Kassel), der Universität Kassel und der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt.

Menschen, die mit Ernst Baier näheren Kontakt hatten, schätzten ihn besonders wegen seiner Hilfsbereitschaft, Geradlinigkeit, Zuverlässigkeit und Tatkraft. Seine selbst gesetzten Ziele verfolgte er mit bemerkenswert großer Energie und Konsequenz bis sie erreicht waren. Er war es gewohnt, sehr früh aufzustehen und wenn er gegen 8 Uhr morgens die ersten Anrufe erledigte, hatte er oft schon mehrere Stunden am Schreibtisch verbracht. In seiner Jugend trieb Ernst Baier sehr viel Sport und hatte sich beispielsweise für die Olympiade in Tokio 1940 vorbereitet, die kriegsbedingt nicht stattfinden konnte. Aber auch im Alter von fast 80 Jahren suchte er trotz einiger gesundheitlicher Einschränkungen noch körperliche Herausforderungen, beispielsweise auf einem Klettersteig in Slowenien. Selbst weit entfernte und hoch gelegene Exkursionsziele wie der Meißner oder der Kaufunger Wald wurden von ihm fast bis zuletzt mit dem Fahrrad angefahren oder erwandert.

Handschrift Ernst Baier, Beleg aus GOETHerbarbelege befinden sich in: GOET, KASSEL.

Moose: Das Herbarium wurde 2003 von Ernst Baier dem Naturkundemuseum Kassel übergeben. Es enthält in fast 1100 Moosproben etwa 370 Taxa aus folgenden Regionen: Kaufunger Wald, Hirschberg, Witzenhausen, Meißner und Meißner-Vorland. Das Herbarium ist vollständig in einer Datenbank erfasst.

Gefäßpflanzen: Von Günter Gottschlich (Tübingen) revidierte Belege der Gattungen Hieracium und Pilosella wurden von Ernst Baier dem Herbarium Göttingen übergeben. Von 94 Aufsammlungen befinden sich Doubletten im Herbarium Gottschlich. Einige Belege von Farnen und Farnverwandten (Pteridophyta) hat Ernst Baier Herrn Markus Preußing (Holzminden) überlassen. Über den Erhalt weiterer Belege ist nichts bekannt. Für die Bearbeitung der Flora hat Ernst Baier eine umfangreiche Fundkartei aufgebaut. Sie ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erhalten.

Von Baier beschriebene Pflanzen:


Nach Baier benannte Pflanzen:
Hieracium glaucinum Jord. subsp. baieri Gottschlich

Publikationen:
    Baier: Flora Witzenhausen
  • Baier, E. 1983: Flora des unteren Werratals zwischen Kleinvach und Hedemünden. ‒ In: Witzenhausen und Umgebung. Beiträge zur Geschichte und Naturkunde. Schriften des Werratalvereins Witzenhausen 7, 162‒203, Witzenhausen.
  • Baier, E. & C. Peppler 1988: Die Pflanzenwelt des Altkreises Witzenhausen mit Meißner und Kaufunger Wald. ‒ Schriften des Werratalvereins Witzenhausen 18, 1‒310, Witzenhausen.
  • Baier, E. 1991: Die Pflanzenwelt des Bilsteins im Kaufunger Wald. ‒ In: Werratalverein Witzenhausen (Hrsg.): Rund um den Bilstein im Kaufunger Wald. Witzenhausen, 43 Seiten.
  • Baier, E. 1993: Zum Moosvorkommen im Gebiet der Gobert bei Bad Sooden-Allendorf. ‒ Schriften des Werratalvereins Witzenhausen 24, 201‒220, Witzenhausen.
  • Baier, E. & C. Peppler 1993: Farn- und Blütenpflanzen der Gobert bei Bad Sooden-Allendorf. ‒ Schriften des Werratalvereins Witzenhausen 24, 221‒257. Witzenhausen.
  • Baier, E. 1994: Habichtskräuter im Werra-Meißner-Kreis und unmittelbar angrenzenden Gebieten. ‒ Fliegende Blätter ‒ Ornithologische Mitteilungen und Naturschutzinformationen aus dem Werra-Meißner-Kreis 7, 27‒33, Eschwege &bdquo1993/1994“.
  • Baier, E., M. Schmidt, H. Thiel & H. W. Bennert 2005: Zur Situation von Brauns Schildfarn (Polystichum braunii) auf dem Meißner ‒ Ist die Rettung des einzigen hessischen Vorkommens noch möglich? ‒ Jahrbuch Naturschutz in Hessen 10, 61‒63, Zierenberg.
  • Baier, E., C. Peppler & V. Sahlfrank 2005: Die Pflanzenwelt des Altkreises Witzenhausen mit Meißner und Kaufunger Wald. 2. Aufl. ‒ Schriften des Werratalvereins Witzenhausen 39, 1‒460. Witzenhausen.
Quellen:
Mündliche und schriftliche Informationen von Dr. Hans-Rudolf Baier (Marxzell-Burbach) und Dr. Günter Gottschlich (Tübingen).
Maurer, J. 2005: Vorwort. In: Baier, E., C. Peppler & V. Sahlfrank 2005: Die Pflanzenwelt des Altkreises Witzenhausen mit Meißner und Kaufunger Wald. 2. Aufl. ‒ Schriften des Werratalvereins Witzenhausen 39, 1‒460. Witzenhausen.

Bildnis: Foto Gunnar Schmitt
Handschrift: Ernst Baier, Beleg in GOET (Foto Marc Appelhans)

© BVNH 20. Feb. 2014